Ein Paar kommt für einen Ehevorbereitungskurs zum Berater. Er will wissen, wer sie sind und sie sollen ewas über sich erzählen, über die Vorstellungen der gemeinsamen Zukunft sprechen und den letzten Konflikt von ihnen schildern. Verwundert über diese Frage, sagt die Frau: „Aber wir streiten uns nie. Wir sind wirklich vollkommen glücklich. Es gibt nichts, worüber wir uns aufregen oder worüber wir länger diskutieren müssen. Wir sind uns wirklich immer vollkommen einig.“ Am Ende der Stunde schickt der Berater das Paar mit einer Hausaufgabe nach Hause: Findet heraus, wo ihr euch selbst angelogen habt und wann ihr euch gegenseitig hättet widersprechen müssen.

Diese kleine Geschichte macht etwas ganz deutlich:
Beziehung geht nicht ohne Reibung. Konflikte sind notwendig.

Egal in welcher Beziehung Du Dich wieder findest – ob Geschwister, Eltern, Partner:in, Freund:in oder Kolleg:in – es kommt immer wieder vor, dass Konflikte auftreten, Meinungsverschiedenheiten aufkommen oder aber Missverständnisse entstehen.

Dann kommt es auf Dich an. Wie reagierst Du bei solchen Dingen?  

Die Verhaltenspsychologie hat verschiedene Muster herausgefunden, nach denen man sich im Konflikt verhält:

Sie beschreiben nur ein Bruchteil der verschiedenen Streittypen, spiegeln aber doch die wesentlichen Haltungen wider.

Variante 1: Du streitest Dich mit Deinem Gegenüber und knickst – im wahrsten Sinne des Wortes – irgendwann ein, damit der Streit ein Ende findet oder gar nicht erst wirklich in Fahrt kommt.

Variante 2: Du und Dein Gegenüber gebt euch gegenseitig Recht und versucht vielleicht kritische Themen zu vermeiden. Dabei schluckt ihr sogar ab und an die eigenen Gedanken und Verletztheit hinunter, um keinen Konflikt heraufzubeschwören.

Variante 3: Konfrontation ist vorgemerkt. Sie wird passieren, weil die Ziele und Vorstellungen unterschiedlich sind. Es kommt zur (lautstarken) Auseinandersetzung und bis zum Ende wird ausgefochten, was den Konflikt verursacht hat.

Jede Haltung hat seine Vor- und Nachteile:

Die erste Variante sorgt vielleicht für weniger Streit, aber lässt Dich letztendlich Dein eigenes Ziel, Deine eigene Vorstellung aus den Augen verlieren.
– Beobachte Dich selbst, sagst Du das jetzt nur, damit ihr euch am Ende einig werdet oder ist es das, was Du wirklich willst?

Bei der zweiten Variante scheint alles auf den ersten Blick einfach. Das Problem dabei: nur weil Du oder Dein Gegenüber nichts sagt, heißt es nicht, dass alles in Ordnung ist.
– Sei ehrlich zu Dir, wie das Paar beim Berater. Wo nimmst Du Dich zurück, nur um keinen Konflikt zu provozieren?

Die dritte Variante lehrt zwar für sich selbst einzustehen und seine eigenen Ziele nicht aus dem Blick zu verlieren, aber diese Haltung stößt vielleicht auch manche vor den Kopf. Sie verschreckt manche Menschen, besonders die, die Variante 2 lieben und leben.
– Bevor Du Dich in den Konflikt stürzt, schau erst worum es wirklich geht. Ist es gerade so wichtig, Deine eigenen Vorstellungen durchzusetzen oder ist es in Ordnung die Dinge gerade stehen zu lassen?

Ich bin davon überzeugt, dass Konflikte gut sind. Für Dich, für mich, für alle Beziehungen in jeder Hinsicht. Aber wie schaffst Du es, sie als Quelle der Entwicklung zu sehen und nicht als etwas, was Deine Beziehung langfristig belastet, Deine Stimmung niederdrückt und Dir das Gefühl gibt, auf der Stelle zu treten?

Stell Dir einfach vor, für jede Beziehung, die Du führst, gibt es ein eigenes Haus.
Ein Beziehungshaus!
Mal größer, mal kleiner. In jedem Haus gibt es unterschiedliche Zimmer und jedes zeigt einen anderen Schwerpunkt der Beziehung. Neben dem Wohnzimmer, der Küche, dem Bad, dem Schlafzimmer und dem Balkon gibt es noch ein weiteres Zimmer. In dieses gehst Du nicht unbedingt am liebsten. Es ist nicht in der schönsten Farbe gestrichen und die Aussicht von da ist auch nicht die Beste. Aber die Tür ist nie abgeschlossen. Manchmal ist sie angelehnt, manchmal steht sie für längere Zeit offen. Manchmal wird sie ganz plötzlich aufgestoßen und Du befindest Dich mitten drin. Aber immer kannst Du dafür sorgen, dass sie wieder sanft ins Schloss fällt, dass Du sie schließt, in dem Du die Klinke runterdrückst und die Tür zuziehst. Was für ein gutes Gefühl.

Wenn sie mal wieder geschlossen ist, dann kommt es auch vor, dass Du völlig vergisst, dass es diesen Raum gibt, dass es eine ganze Weile überhaupt nicht notwendig ist, ihn aufzusuchen. Aber selbst wenn es wieder nötig wird oder Du hinein geschubst wirst: Am Ende stehst Du wieder in Deinem Flur und Dein Haus ist noch genauso solide, wie zuvor. Manchmal fällt Dir dann auf, dass kleine Risse und Löcher in den Wänden ausgebessert sind und man sie nicht mehr sehen kann. Und manchmal findest Du auf einmal ein neues Zimmer am Ende des Flurs, das ganz neue Bereiche der Beziehung beherbergt.  

Konflikte sind Teil von Beziehungen. Von Freundschaft, von Partnerschaft, von Kollegialität.

Durch Konflikte entstehen neue Lösungen.
Auseinandersetzungen eröffnen neue Möglichkeiten.
Konfrontationen sorgen für Freiraum.  

Wie sieht dein Beziehungshaus aus? Schaffst Du es die Tür immer zu schließen? Oder ist die Tür fest verschlossen und Du hast vergessen, wo Du den Schlüssel hingelegt hast?  

Deine Lilian Mara Regenstein

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