Die Compliance in unseren Teams hängt davon ab, ob die Konsequenz des unlauteren Verhaltens von allen paritätisch getragen oder aber jedes Teammitglied eigenverantwortlich dafür zur Rechenschaft gezogen wird.

Dies leiten Tim Lohse (Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin) und Sven Simon (Max Planck Institute für Steuerrecht & Öffentliche Finanzen) von einem Laborexperiment mit 268 Personen ab.

Es zeigte sich, dass in der Gruppe getroffene Entscheidungen, deren z.B. wirtschaftliche Konsequenzen auch gemeinschaftlich getragen werden, zu eindeutig unehrlicherem Verhalten der einzelnen Personen führte als die Entscheidungen, für deren Konsequenzen jedes Teammitglied einzeln verantwortlich zeichnete.(gelesen in magerSeminare, Mai 2022)

Dies bedeutet, dass die persönliche Compliance eng mit der persönlichen Eigenverantwortung verwoben ist.

Jetzt frage ich mich, wie ist es denn wohl mit meiner Compliance bestellt, wenn ich gemeinsam mit meinem Team Entscheidungen treffen muss, ohne persönlich für die Konsequenzen zu haften?

Bin ich dann wirklich risikofreudiger oder tendenziell unehrlicher, wenn ich mich im Team oder einer Gruppe bewege?

Setze ich wirklich darauf, dass die auf mehreren Schultern ggfs. verteilte Sanktionen bzw. Konsequenzen leichter zu ertragen sind?

Oder gehe ich gleich davon aus, dass „gemeinsam sind wir stark“ auch „gemeinsam sind wir unberührbar“ bedeutet?
Was bedeutet das für Menschen in Führungsverantwortung?

Wenn ich mir vor diesem Hintergrund das Schwarzbuch der Steuerzahler anschaue, dann scheint diese These wirklich zu stimmen. Hier wird alljährlich über die unglaublich sinnlosen und verschwenderischen Ausgaben von Kommunal-, Landtags- und Bundestagsabgeordneten berichtet, ohne dass jemand persönlich dazu Verantwortung übernehmen muss.

In Anlehnung an die Untersuchung von Tim Lohse könnten auch die wirklich haarsträubenden Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche betrachtet werden. Auch hier, schrecklich unehrliches, doppelbödiges Verhalten, das – durch den Schutz der Gruppe/Kirche – kaum sanktioniert zu werden scheint.

Beides, ich gebe es zu, durchaus drastische Ableitungen der oben zitierte Studie, doch vielleicht wirklich nicht so weit hergeholt?

Ich für meinen Teil frage mich, ob ich es akzeptieren möchte, dass scheinbar Teamgeist oder Gruppengefühl, das persönliche Gespür für die eigenen ehrlichen, lauteren, integren Grenzen ablöst. Ich arbeite gerne im Team und bin meinen Kolleg:innen und Kooperationspartner:innen sehr verbunden. Doch möchte ich nicht meine eigene Verantwortung für mein Wort, meine Werte oder meine Integrität an die Gruppe abgeben.

Meines Erachtens nach ist es immer eine Frage meines eigenen, ganz persönlichen Wertekanon, wie sehr ich diesen im Team vertrete, dafür einstehe, er mich etwas kosten darf oder ob ich mich durch die Gruppe dazu verführen lasse, meine Werte und damit auch mich zu verraten.

Ich bin davon überzeugt: Integrität ist nichts für Weicheier.

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