Es ist nicht neu und für viele von uns schon lange der Rhythmus unseres Arbeitsalltags, unseres Lebens: Wir leben in einer schnelllebigen Gesellschaft, in der lange scheinbar alles für kontrollierbar und machbar gehalten wurde bzw. wird. Die Dinge nicht im Griff zu haben, auf Fragen keine Antworten zu wissen oder gar sorgenvoll in die mittlerweile allgegenwärtige Ungewissheit zu schauen – das passt nicht in die Erfolgsschablone, passt einfach nicht ins Bild einer Macherin oder eines Entscheidungsträgers.
Schwäche zeigen wurde uns erfolgreich abtrainiert. Stark ist, wer stressresistent ist und seine Emotionen kontrolliert bzw. nicht oder nur selten zeigt.
Mir geht es anders. Ich erlebe für mich persönlich, aber auch in meiner Coachingpraxis, dass diese Zeit es uns zunehmend schwer macht, den Durchblick zu behalten, stark zu sein. Eine Zeit, in der im erweiterten Europa Krieg herrscht, die Pandemie nach wie vor ein belastendes Thema ist und die Energiekrise für viele privat wie geschäftlich ein finanzielles Debakel darstellt, macht es uns unmöglich, die nächsten Monate einzuschätzen, den Überblick für das kommende Jahr zu behalten, einen 5-Jahres-Plan zu entwerfen.
Das macht Angst.
Das verunsichert.
Das macht mich auf jeden Fall, immer wieder auch, hilflos.
Lässt Fragen entstehen. Ich werde verletzlich.
Wie damit umgehen? Welche Strategien scheinen sinnvoll?
Weitermachen wie bisher, würde bedeuten, die Fragen, Unsicherheiten, Sorgen oder Ängste zu verdrängen. Oder zu verleugnen.
Denken wir an einen Vulkan: Von außen sieht man nichts, aber im Inneren baut sich immer mehr Druck auf – bei Menschen häufig in Form von plötzlicher Wut oder Kummer. Diesen Druck nie ablassen, also nicht darüber sprechen oder die eigene Verunsicherung benennen, führt dazu, dass er irgendwann explosionsartig entweicht.
Also nicht wirklich ein sinnvoller Weg – sowohl für mich persönlich als auch für mich als Führungskraft.
Ich mache die Erfahrung, dass dort, wo ich es zulasse, nicht auf alles Antworten wissen zu müssen, Unsicherheiten in Worte zu fassen, meinem Gegenüber meine auch sorgenvollen Gedanken zeige, dass ich noch nie allein geblieben bin. Immer ergibt sich daraus ein spannendes Gespräch, ein sich näher-kommen. Vertrauen entsteht.
Wir sollten uns sowohl für uns persönlich aber auch im Gespräch mit anderen, mit Kolleg:innen oder Mitarbeitenden öfter offen eingestehen, dass wir mit einer aktuellen Situation gerade zu kämpfen haben. Natürlich gibt es das Risiko auf Zurückweisung zu stoßen. Doch viel häufiger werden wir erfahren, dass Verbundenheit entsteht.
Denn das Gesetz gesunder und echter Beziehungen ist einfach: Je offener wir miteinander sind, umso mehr berühren wir einander innerlich.
Um zu lernen frei und offen über unsere Gedanken oder Gefühle sprechen zu können, gibt es ein paar Tipps:
- Wenn man sich nur im eigenen Kopf mit seinen Ängsten beschäftigt, fehlt die Erfahrung, dass es anderen – ja auch Deinem Partner, Deiner Freundin, Deinem Kollegen, Mitarbeitenden, Vorgesetzten – ähnlich gehen könnte. Daher tut ein entsprechender Austausch mit Freunden gut.
- Sich die eigene Verletzlichkeit erlauben und sie näher kennen zu lernen, hilft, sie mehr und mehr zu akzeptieren. Auf die Dauer könnte sie sogar zu einer Stärke werden, die es ermöglicht echte Beziehungen zu ermöglichen.
- In meinem Podcast zu David und Goliath habe ich darüber gesprochen, wie erfolgreich es sein kann, die Rüstung abzulegen und ohne Vesier in die Begegnung zu gehen – Du wirst überrascht sein, denn es könnte den anderen treffen, gar – im best verstandenen Sinne – umhauen!
Ich persönlich will damit fortfahren und auf diese Art und Weise nahbar bleiben und werden. Ich möchte auf die damit bereits erfahrene Qualität in meinen Beziehungen nicht verzichten und bin sehr gespannt auf die vielen noch kommenden Begegnungen.
Wie hältst Du es mit Deiner Verletzlichkeit?
Wieviel von Deiner Rüstung traust Du Dich abzulegen, um Begegnung zu ermöglichen?
Worauf wartest Du noch?
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